Das Zimmermaedchen by Orths Markus

Das Zimmermaedchen by Orths Markus

Autor:Orths, Markus [Markus, Orths]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Schöffling & Co.
veröffentlicht: 2008-10-08T04:00:00+00:00


9

Tut mir leid, dass ich sonst nicht so viel Zeit für dich hab«, sagt Heinz am Montag.

»Kein Problem.«

»Gibt immer was zu tun hier.«

»Versteh ich.«

»Wir sind zufrieden mit dir. Die Gäste loben vor allem deine Zimmer. Einer sagt, das ist so sauber, da kann man vom Fußboden essen, picobello, da gibt’s nichts auszusetzen.«

»Freut mich.«

»Du bleibst immer länger? Machst Überstunden?«

»Ja, gern.«

»Warum? Die werden nicht bezahlt.«

»Was soll ich zu Hause?«

»Du putzt auch die leer stehenden Zimmer?«

»Die verkommen sonst.«

»Aber du musst die nicht jeden Tag putzen.«

»Wenn ich doch Zeit hab.«

»Fährst du weg? Du hast bald Urlaub.«

Lynn erinnert sich schwach an die Sitzung mit der Hausdame und den anderen Zimmermädchen, ganz zu Anfang, in der man über die Urlaubsplanung gesprochen hat. Lynn hat damals gesagt, sie brauche keinen Urlaub, sie arbeite gern, die anderen Zimmermädchen haben ein wenig die Augen verdreht, aber die Hausdame hat darauf bestanden, dass Lynn ihr einen Zeitpunkt nennt, Lynn hat mit den Achseln gezuckt und einen Termin möglichst weit entfernt genannt. Sie weiß gar nicht mehr, wann genau.

»In acht Wochen«, sagt Heinz, als hätte er Lynns Gedanken erraten. »Also, was machst du?«

»Weiß nicht.«

»Fährst du weg?«

»Mal schaun.«

»Würde dir gut tun. Mal raus hier. Du arbeitest zu viel.«

»Mhm.«

»Also, wohin?«

»Vielleicht Karibik.«

»Hört sich gut an.«

Am Dienstag sitzt Lynn in der Lounge. Von der Lounge aus hat sie einen Blick auf die Rezeption. Zimmer 304 ist nicht belegt, Chiaras Kunde noch nicht gekommen. Lynn wartet. Niemandem fällt auf, dass sie wartet. Niemandem fällt auf, dass sie überhaupt da ist. Erst um sechs verlässt sie ihren Posten, nimmt den Aufzug, fährt hoch, öffnet das unberührte Zimmer 304, schließt die Tür und legt sich unters Bett. Der Mann kommt um acht. Er beendet ein Telefongespräch, als er den Raum betritt, und klappt sein Handy zusammen. Dann zieht er sich aus und geht ins Bad. Der Duschstrahl. Noch einmal verlässt Lynn ihr Versteck. Auf dem Tisch liegt das Handy, eine Börse, ein Ehering, Silvia und Ludwig eingraviert, ein Datum, das ist jetzt zehn Jahre her. Lynn durchwühlt die Börse. Sie findet ein Paar-Bild: Mann, Frau. Das ist er, denkt Lynn. Und das: seine Frau. Dann legt sie alles an seinen Platz und krabbelt zurück unters Bett. Bald klopft Chiara, der Mann öffnet ihr, sie betritt den Raum und beginnt mit der Selbsterniedrigung. Sagt dem Mann, was sie ist, was sie will, was sie braucht, was er ihr geben soll. Und Lynn liegt da, abgekoppelt von dem, was geschieht. Abgekoppelt, denkt sie. Koppelt man die Worte ab von ihrem Ton, so bleiben Wörter, die den Menschen berühren könnten: sein, wollen, brauchen, geben.

Es ist alles anders als beim ersten Mal.

Lynn liegt reglos dort.

Was über ihr geschieht, lässt sie kalt. Lynns Bilder unterm Bett sind satt und träge. Ihnen fehlt die Frische des Unberührten. Sie speisen sich aus Gesehenem, nicht aus Vorgestelltem, sie folgen der Wirklichkeit, nicht der Einbildungskraft. Lynn kennt alles: Sie kennt den Mann, sie weiß, wie er aussieht, straffer Oberkörper unterm Anzug, enorme Größe, Lynn kennt seinen Haarschnitt, seinen Bart, und Lynn kennt auch Chiara, kennt sie gut inzwischen, kennt Chiaras Körper, kennt ihre Stimme.



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